Jusos Hockenheim

Gegen Netzsperren! (30.09.2009)

Veröffentlicht am 02.10.2009 in Anträge

Antragsteller: Juso-AG „Move Ya! - Die Juso-AG im Raum Hockenheim“
Status: Angenommen; überwiesen an SPD-Kreisvorstand, SPD-Kreisparteitag, SPD-Landesparteitag, SPD-Bundesparteitag, SPD-Bundestagsfraktion.
Datum: 30.09.2009

Antragstext:

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, sich umgehend für die Außer-Kraft-Setzung des „Gesetzes zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen“ (in der Öffentlichkeit bekannt als „Internet-Sperrgesetz“) vom 18. Juni 2009 einzusetzen. Weiterhin wird die SPD-Bundestagsfraktion aufgefordert, auf eine verstärkte Strafverfolgung von Kinderpornographie durch die Ermittlungsbehörden hinzuwirken, um die Entstehung von kinderpornographischem Material zu verhindern, z. B. durch Ausbau der unterbesetzten Abteilungen zur Verfolgung von Kinderpornographie bei BKA und LKAs und die angemessene psychologische Betreuung der Beamten. Weiterhin wird die SPD-Bundestagsfraktion aufgefordert, sich einer möglichen Klage der Unterzeichnenden der Petition „Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ vor dem Bundesverfassungsgericht anzuschließen bzw. selbst eine solche Verfassungsklage einzureichen.

Begründung:

Der Kampf gegen Kinderpornographie muss entschlossen geführt werden. Da Kinderpornographie und deren Verbreitung weltweit strafbar sind, auch wenn Ursula von der Leyen hierüber Unwahrheiten verbreitet, steht bei intensiven Ermittlungen des Bundeskriminalamts einer Verfolgung der Täter nichts im Wege. Dies erfordert ein internationales und gemeinsames Vorgehen der Ermittler, das bisher zu wenig genutzt wird. Statt die Ermittlungsbehörden zu einem entschlossenen Vorgehen gegen die Täter anzuhalten, zieht die Bundesregierung es aber vor, vordergründige Überwachungsmechanismen zu installieren.

Das „Internet-Sperrgesetz“ ermächtigt die Sicherheitsbehörden zur Errichtung einer staatlichen Kontrolle des Internets. Dies verhindert keinen Kindesmissbrauch. Die Täter vergehen sich weiter an Kindern, wenn das Bundeskriminalamt sich mit der Erstellung von Sperrlisten statt mit der Ermittlung der Täter beschäftigt.

Die beschlossenen Netzsperren sind technisch ineffektiv. Das „Internet-Sperrgesetz“ berücksichtigt nicht, dass Kinderpornographie fast nur in geschlossenen Nutzergruppen (Foren, Chat-Systemen etc.) verbreitet wird. Frei zugängliche Seiten mit kinderpornographischem Inhalt werden ebenfalls nicht gelöscht. Der Aufruf wird stattdessen auf eine „Stoppschild“-Seite umgeleitet. Ist den Nutzerinnen auf anderen Kommunikationswegen (geschlossene Foren etc.) jedoch die genaue Lage der Seite bekannt oder nutzen sie andere Zugangswege, können sie diese weiterhin fast ungehindert aufrufen. Vielfach wurde als Argument zugunsten einer Sperrung von Internetseiten die schwierige Löschung der Inhalte genannt, wenn diese im Ausland auf Servern gelagert werden. Dies wurde inzwischen durch Versuche von Experten eindrucksvoll widerlegt. Kein Provider kann es sich leisten, kinderpornographischen Inhalten Platz auf seinen Servern zu gewähren.

Aber: Widerstand gegen diese unwirksamen Netzsperren ist dringend geboten. Wie die Erfahrung lehrt, besteht bei vielen staatlichen Überwachungsmechanismen die Gefahr, dass diese nach einem ersten Schritt „schleichend“ ausgebaut werden („Bundestrojaner“, Vorratsdatenspeicherung, Rasterfahndung etc.). Schon jetzt werden zahlreiche Forderungen nach einer Sperrung islamistischer Seiten oder von sog. „Killerspielen“ erhoben. In Ländern mit ähnlichen Netzsperren führte die Filterung dazu, dass z. B. auch Blogs, die die Sperren hinterfragten, geblockt wurden. Dort findet somit bereits eine Zensur der öffentlichen Diskussion statt.

Darüber hinaus trägt die „Stoppschild-Funktion“ zusätzlich dazu bei, die Verfolgung der Kinderschänder zu erschweren, weil diese damit leicht selbst prüfen können, ob ihnen die Fahnder „auf den Fersen“ sind. Das Stoppschild gibt den Tätern Zeit und Gelegenheit, Beweismittel zu vernichten und verhindert somit Strafverfolgung.

Die SPD muss die Gefahr durch dieses Gesetz erkennen und sich gegen staatliche Überwachung entschlossen zur Wehr setzen. Leider hat die Bundestagsfraktion dem „Internet-Sperrgesetz“ fast geschlossen zugestimmt. Die SPD hat sich damit für intensive Internetnutzerinnen und junge Menschen unwählbar gemacht. Der Rücktritt des Online-Beirats der SPD zeigt dies deutlich.

Die Netzsperren stellen einen Verrat an den Werten der SPD dar: Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit. Beenden wir die staatliche Überwachung wieder, bevor diese zur Gewohnheit wird!

[Der Text basiert auf einem vom SPD-Landesparteitag angenommenen Antrag der Jusos Bayern. Bei im Text genannten Personengruppen sind immer Frauen und Männer gemeint.]

 

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